Mit besten Grüßen aus Hamburg. Chapeau!
Hoppeditz. erwache! Teile Deinen Mantel.
Narrenschar. Helau!
Auferstehung ganz nah
Phönix aus Asche.
Wie? Sie warten…
darauf das es endlich losgeht? Ich auch. Ich mein, auch wenn man Expertin im Ausdenken von Buchtiteln und ersten Sätzen ist, heißt das ja nicht, daß man gleich loslegen kann… Vielleicht haben Sie ja einen Satz,mit dem es beginnen soll und den sie loswerden wollen? Das wäre jetzt eine schöne Gelegenheit…
Das erste Kapitel ist nahezu fertig, aber das heißt ja nichts. Für einen Satz ist immer Platz. Ist ja erst im Kopf geschrieben. Kann ich ja, also das, was Pablo Neruda meinte, was man tun müsse, um ein großer Schriftsteller zu werden: lernen, beim Laufen zu denken. Und ich bin ne Menge gelaufen, in den letzten Tagen. Und noch mehr habe ich mich gereckt und gestreckt, gebückt und verdreckt, grub mit dem Spaten in meinem Garten. Und Lauch schnitt ich auch… Morgens reimen beherrsche ich ebenfalls… Spaß beiseite: ich sagte ja, ich habe Besuch, aber auf den will ich meine Abwesenheit von der Tastatur gar nicht schieben, Tatsache ist, daß ich einfach mal in der Erde wühlen musste. Sträucher schneiden, Rasen kanten, Unkraut rupfen, Natursteinwege auskratzen und Blumen pflanzen. Ich habe also in einem ziemlich rauschhaften Zustand mich den Außenanlagen gewidmet und dann (Tatatataaaa!) bein Zimmer aufgeräumt hab. Und meinen Schreibtisch. Überhaupt habe ich alles aufgeräumt, geharkt, geordnet, gefegt, gehäufelt, geschruppt und gewischt, was sich irgendwie vor meine Augen drängte und seit Monaten liegengeblieben war. Jetzt hab ich Rücken. Und Blasen. Und fühle mich pudelwohl. Muskelkater, eine herrliche Sache, wenn man zulange sich nur geistig bewegt hat. Und jeden Abend haben wir dann eine kleine Feuertonne angezündet, mit dem Stroh des Tages und den Holzscheiten, die von der Frühjahrsputzaktion übrig geblieben waren und wir haben uns Kochwurst am Spieß gebraten. Mettwürstkes heißen hier Kochwurst und werden niemals als Stockwurst über offenem Feuer gegrillt. Außer hier, nur bei mir… Es waren jedenfalls schöne Tage, diese letzten Sommertage, und nun bin ich auch endlich richtig angekommen. In Hamburg. Und: Bei mir…
Vor uns liegen ja auch noch Herbst und Winter, trübe Regentage, klirrende Kälte, also genau die Zeit, in der sich Geschichten ganz besonders gut erzählen lassen und bis dahin sollten wir jeden Sonnenstrahl, jeden goldenen Herbsttag genießen. Das Buch läuft ja nicht weg. Macht keines von ihnen. Haben alle die Ruhe…
Nebel in den Ruhrauen, Abenddämmerung am Rhein… das Leben hält wunderbare Momente bereit…. Man muss nur immer mal von der Tastatur weg… Sie sind jedenfalls von Anfang an dabei, wenn hier ein Buch geschrieben wird, und sie werden sehen, was das für eine Arbeit macht, was für Freude, wie leicht man ins Stocken gerät, wohin man sich vergallopieren kann, wie wunderbar sich auf Rechtschreibung, Grammatik und Interpunktion verzichten lässt, wenn man sich dem Sprachfluss anpasst. Und sie werden genauso warten müssen, wie ich. Darauf, daß mir was einfällt. Sie streichen aber besser die Worte „Blockade“ und „Hemmung“ aus ihrem Sprachschatz, soweit sie in Verbindung mit „Schreib-“ davor daherkommen. Fiese Wörter. Wörter, die einem auf das Gemüt schlagen! Die streichen Sie bitte und zwar sofort, bevor mich eines davon aus heiterem Himmel anspringt…
Mein Gast reist morgen oder übermorgen wieder ab, mein Gatte kommt morgenundübermorgen ( also so kurz nach Mitternacht) von seiner Angeltour aus Norwegen zurück und ab der nächsten Woche habe ich dann meinen „ganz normalen Alltag“ zurück. Mit Struktur. Einer gezähmten Wildnis im Garten, einem aufgeräumten Haus. Einem Schreibtisch mit nur einem Stapel darauf. Und geputzter Platte…
Jetzt wünsche ich Ihnen einfach nur einen guten Freitag. Wochenende! Guter Zeitpunkt, daß Leben zu genießen. Draussen. An der Luft… Und dann... Was auch immer…
Landungsbrückentag
Moin,moin! Ich weiß nicht,wiedas Wetter bei Ihnen ist – bei mir ist es prächtig! Und deswegen bleibt die Tastatur heute verwaist, zumindest bis zum Abend, an einem solchen Tag da gibt es nichts andres als raus und: der Sonne entgegen. Die Elbe lockt nicht weniger als der Rhein und was den Hafen angeht: da weht immer ein frischer Wind. Gute Luft, steife Brise. Das ist ja am Innenhafen nicht immer der Fall. Als ich mit Berndt auf seiner Harley nach einem klasse Tag im Pott am Abend über den Philosophenweg fuhr, da stank es derartig nach Kloake, daß ich mich unverzüglich an meine Liricher Tage erinnerte, in denen die Emscher noch nicht „unter Tage“ floss. Meinzeit, ich stell mir grad so vor, ich hätt ein Vermögen für ne Eigentumswohnung da ausgegeben “ Traumhaft Wohnen am Wasser! Mit Grachten! Jetzt: Alles schön!“ und dann säße ich da, an einem schönen Sommertag und könnte nicht mal die Balkontür aufmachen, geschweige denn, mich vor die Haustür setzen… Mir wird jedenfalls gleich nix dergleichen in die Nase stechen, allerreinste Seeluft wird sein , vermischt mit dem zarten Duft von Fisch, Fett und Fritteusen, ein paar ungefilterte Rußpartikel von nem Kreuzfahrtschiff vielleicht – aber das war`s dann auch… Ich bin dann mal weg. Schönen Tag noch. Halten Sie sich tapfer!
*** Anlage1, Januar 2007 / Ankauf Lehmbruckerbe
Hier die beiden Kolumnen, die Gegenstand des Briefwechsels mit Josef Krings waren.
I.
„Zwanzich Millionen! Euro! Vierzich Millionen Mark – datt muss man sich ma vorstellen! Wir sind pleite – und die wolln sich dä Museumskeller dekoriern! Wenne mich fraachß, dann drehn se gezz endgültich durch! Die ham se donnich alle!“ wetterte Bommel und traf den Kern der Sache gut: die ham wirklich nich alle – Werke von Lehmbruck – wollen sie aber. “Für 20 Millionen Euro will die Stadt den Nachlass des bedeutenden Bildhauers aus Duisburg von seinen Erben erwerben. Für die Kosten sollen auch Bund und Land aufkommen“ so stand es zu lesen und ist mir ganz erbärmlich auf den Magen geschlagen. Ich kann das gar nicht glauben! Da wurden und werden Stadtteilbüchereien geschlossen, die Kinder armer Eltern müssen sehn, wie sie an Schulbücher kommen, aber man ist allen Ernstes bereit, den Bürger ein weiteres Mal für Hochkultur bluten zu lassen. Stadt, Land, Bund – es ist ja immer doch der Bürger, der das Geld aufzubringen hat. Geld, das er an anderer Stelle viel dringender braucht, wenn es nämlich darum geht, dafür zu sorgen, dass unsere Kinder, ja auch dass wir, nicht völlig verblöden. Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass die von uns gewählten politischen Vertreter sich allen Ernstes damit beschäftigen, auch noch den fünften Abguss einer Plastik, die erste Ideenskizze und womöglich auch noch den Bleistift, mit dem sie gefertigt wurde, aufzukaufen. Die Sammelwut der Museumswärter grenzt ja schon an Besessenheit! Und was da an Stellungnahmen aus dem Rathaus kommt, das könnte unsinniger auch nicht sein: Da sagt doch die blindgrüne Bürgermeisterin, die den Ankauf positiv sieht und mitträgt, angesprochen auf die finanzielle Seite: „Die Stadt ist in einer desolaten Lage, aber wenn wir so diskutieren, müssten wir das Lehmbruck-museum verkaufen“, um ein wenig später weiter zu schwadronieren „Wenn wir alles haben, haben wir die Option, es später gewinnbringend zu verkaufen.“ Ja, was denn nun? Als was will sie sich denn jetzt betätigen? Als die heilige Johanna der Kulturgüter oder als Kunstspekulantin? Ach, wenn sie doch geschwiegen hätte…Toll auch wieder de Jong „Es wird schwer sein, dafür in der Bevölkerung Verständnis zu wecken.“ Da liegt er mal wieder sowas von falsch! Es wird nicht schwer sein – das ist unmöglich. Er kann sich jede, aber auch die allerkleinste Mühe sparen – für diesen Ankauf weckt er nicht einen einzigen Funken Verständnis beim Bürger. Der will, dass seine Kinder lesen und schreiben lernen, in einer sauberen, halbwegs gut ausgestatten Schule, er will, dass sie sich Bücher ausleihen können, etwas lernen, mit dem sich etwas anfangen lässt im Leben. Und wenn all das sichergestellt ist, dann wünscht er sich, dass seine Kinder auch mal Museen besuchen und sich an Kunstwerken erfreuen können. Dort sollen sie etwas von „Großen Meistern“ zu sehen bekommen. Etwas. Nicht Alles. In einer Zeit, wo mancher Familie nicht einmal das Eintrittsgeld für den Museumsbesuch bleibt, bringen die Bürger keinerlei Verständnis für die ungebremste Ausgabewut ihrer Kulturpolitiker mehr auf. Eher gehen sie auf die Barrikaden…
II.
Kolumne der darauf folgenden Woche nach der öffentlichen Kritik Josef Krings´des Diskurses über den Ankauf.
„So. Da hasset, Mimi. Schwatz auf weiß“ sachte dä Bommel bei unsrer sonn-täächlichen Presseschau. „Du daarfs dä Ankauf vonnet Lehmbruckerbe nich einfach mit Bildungsausgaben verquicken!“ “Natürlich daaf ich datt“ sach ich „wer will mir datt verbieten? Demokratie, Bommel, erinnerße Dich? „Nä“ beharrte Bommel und wedelte mir mitte Zeitung umme Nase „hier steht et doch: datt is nich akzeptabel, irreführend, und unlauter!“ „Unlauter. Aha. Wer sacht datt?“ „Jupp Krings sacht datt!“ „Jeder kann sich ma irren“ sach ich. „Lehmbruck is sein Steckenpferd – datt reitet er eben gern. Ändert abber gezz nix am Sachverhalt. Wir ham kein Geld, also könnwer uns nix kaufen. Und sollten wir irgendwo don-noch paa Maark auftreiben, brauchen wir die für Schulbücher, Büchereien und Immersatt. So einfach is datt. Ers werden die Existenzbedürfnisse gestillt, dann die nach Kultur und zuletzt die Bedürfnisse nach Luxus. Zwei Hühner, zwei Gänse zack-zack. Und wennet danach geht, watt man hier alles nich ansprechen daaf, dann dürft ich den Mund gaa nich mehr aufmachen! Beteilichße dich anne Haushaltsberatungen und zeichß ma paa Einsparmööchlichkeiten beim bürger-meisterlichen Fuhrpaak auf, tobt datt Sauerland. Fraachße, wieso eigentlich wer warum nach Wuhan fliecht, tobt die Linke. Sachße: O.k. kürzen wir die Fraktions-gelder – schreien se alle. Gezz isset eben ma Krings, Bommel – ich kannet nich ändern. Dä Sachverhalt wird nich anders dadurch, datt Krings statt Sauerland ihm denkt. Die Probleme, die wir ham, rühren nemmich daher, datt hier immer noch gelebt wird, als reechnet et täächlich neu Geld vom Himmel. Hier muss ma Verzicht geleistet werden! Unten, anne „Basis“, da wo kaum ein Politiker sich mehr auskennt, ham wir gerade ein paa existentielle Probleme! Existentielle, Bommel! Et geht um unsere Zukunft, um unsere ganze Gesellschaft, ummet körperliche wie geistige Überleben – da kann ich gezz grade keine Rücksicht drauf nehmen, datt jemand seine Heilige Kuh streicheln will. Nä, Bommel – die Diskussion is nich erschreckend. Da is überhaupt nix irreführend und nix unlauter und inakzeptabel, Bommel, find ich leedichlich, datt die Bürger hier in keiner, aber auch gar keiner Weise mehr mit ihren Nöten wahrgenommen werden. So. Mehr is da nich zu zu sagen. Und gezz, Bommel, gieß uns ma ein lekker Pilsken ein und lass uns auf datt Neue Jahr anstoßen. Wo sind eigentlich die Andern. Wo is Hertha?“ Traditionell is ja dä erste Sonntach im Februar immer Neujahrsempfang anne Bude und dafür waa ich ja übberhaupt gekommen. „Gezz sach nur, Du hast die Post nich gekricht?“ „Watt für Post?“ „Die Absage, Mensch, Mimi, et gibt kein Neujahrsempfang“ „Wie? Gibbet nich, gibbet nich, watt soll datt heißen?“ Ich war echt entsetzt. „Die sind heute alle nach Köln wegen datt Handballspiel.“ „Wegen datt Handballspiel nach Köln? Ich komm extra aus Hamburch! Wegen de Kumpels! Und ihr lasst mich im Regen stehn? Mannu!“ Watt soll ich sagen. Et läuft eben nich immer so, wie man dachte. Ich bin dann innet Museum gegangen. Lehmbruck-Plastiken sind wundervoll und so tröstlich. Duisburg ist einfach immer eine Reise wert… Ich hab überhaupt nix vermisst. Und Weltmeister sind wir nun auch….
*** Gegen das Vergessen
Versuch einer Biographie der Mimi Müller anlässlich des x-ten Jahrestages ihres Verschwindens im September des Jahres 2009.
Liebe Leserinnen und Leser,
wenn ich Ihnen nun die Geschichte der Mimi Müller erzähle,
dann dürfen sie dabei nicht aus den Augen verlieren, daß wir mit dem wenigen Vorlieb nehmen müssen, was eifrige Literaturforscher über sie auf den verschiedensten Festplatten und in alten, halbwegs verrotteten Zeitungsarchiven noch auszugraben vermochten. Das ist nicht viel. Eine der Hauptquellen, die uns heute überhaupt noch zu Forschungszwecken zur Verfügung stehen, ist ihr eigener PC, der jedoch so einige Mucken aufweist. Frau Müller war schon zu ihren Lebzeiten technisch nie auf der Höhe der Zeit, entsprechend aufwendig ist die Rekonstruktion ihrer durchaus lebhaft zu nennenden Gedankenwelt. Die Sichtung ihres „materiellen“ Nachlasses, also mehrere Zentner Papier, zahllose Mappen und Schnellhefter, wird dadurch erschwert, daß sie in zahllosen Stapeln auf dem Boden liegen, ohne dass irgendein Anhaltspunkt uns Aufschluss darüber gäbe, wie die Dinge geordnet sein könnten. Wenn uns der Zugang zu ihrem gesamten literarischen Schaffen damit auch für eine Weile noch versperrt bleiben wird, so haben sich doch unter hunderten von elektronischen Dateien mit Romananfängen (Frau Müller liebte es, sich Buchtitel und erste Sätze auszudenken, darauf kommen wir noch) auch einige temporäre Dateien mit umfangreichen Korrespondenzen gefunden, die uns Aufschluss geben können, über ihre Motive, ihre Denk- und Arbeitsweise.
Auszüge aus diesen Korrespondenzen werden deshalb gelegentlich eingefügt, vor allem dann, wenn es notwendig erscheint, sie ausdrücklich selbst zu Worte kommen zu lassen.
Im Übrigen müssen Sie sich auf mein Erinnerungsvermögen verlassen – und das ist so schlecht nicht. Auch war ich ihre engste Vertraute. Ich begleitete sie von ihrer Geburt bis zu ihrem Verschwinden. Sie war meine Tochter, ebenso wie sie mir Mutter gewesen ist.
Petra Pelikan
Kapitel 1 Wissen. Und anwenden.
Auszug eines Briefes von Mimi Müller an Josef Krings aus dem Januar des Jahres 2007. Anlass der mehrere Briefe umfassenden Korrespondenz, von der hier nur ein kurzer Auszug wiedergegeben wird, war eine Kolumne, die anlässlich des Ankaufes des Lehmbruckerbes geschrieben wurde. Mimi Müller war strikt dagegen. Josef Krings unbedingt dafür.
„Kunst ist unser größtes Kapital, darüber hinaus ist sie das einzige Bindeglied zwischen Himmel und Erde, das dem Menschen geblieben ist. Nur Sie vermag seine Seele so zu stärken, dass er den Herausforderungen eines ungewissen Morgen kraftvoll entgegentreten kann. Kunst ist ein Lebens,- und ein Überlebensmittel und die Künstler dieser Tage haben eine große Aufgabe zu leisten. Wie viele Andere versagen jedoch auch sie sich überwiegend dieser Aufgabe und begeben sich stattdessen auf eine intellektuelle Spielwiese, die ihnen von denen, die an ihrem Machterhalt interessiert sind, nur allzugern zur Verfügung gestellt wird – bindet sie doch die ebenso evolutionären wie revolutionären Kräfte der Kunst. Wir, Sie und ich, müssen fürchten, dass immer mehr Menschen sich von der Kunst insgesamt abwenden- und sich damit einem elementaren Quell des Lebens berauben. Wir kämpfen dagegen. Kämpfen auch gegen das Vergessen. Jeder auf seine Weise und jeder mit seinem Begriff von der Kunst. Der meine schließt den Ihren nicht aus, ja er ist sogar Grundlage. Nur geht er mir nicht weit genug und hilft uns nicht, mit den Problemen umzugehen, in die wir gestellt sind. Ich möchte noch einmal
Beuys zitieren:
„Die einzig revolutionäre Kraft ist die Kraft der menschlichen Kreativität…die einzig revolutionäre Kraft ist die Kunst. Das ist die Schwelle, wo der Mensch sich als primärgeistiges Wesen erfährt und seine primärsten Produkte (Kunstwerke), sein tätiges Denken, sein tätiges Fühlen, sein tätiges Wollen und die höheren Formen davon, beobachtet werden als plastische Produktionsweisen. … Je höher die Kreativität der Menschen ist, um so höher ist das Volks-vermögen, um so höher die Fähigkeit, die Dinge so zu regeln, dass sie in höchst-em Maß produktiv und effektiv werden im Sinne aller.“
Frau Müllers Gespür für Struktur
Moinsen. Ein trüber Montag

wartet auf uns – aber wir haben ja Sonne im Herzen. Bevor es endgültig losgeht, mit dem Buch, dass ich hier für Sie schreibe, muss ich schnell noch ein bißchen Ordnung in die Dinge bringen. Die Sache ist die, daß ich noch nicht herausgefunden habe, wie man Kartegorien einrichtet, also quasi so … virtuelle Stapel macht. Das ist ja meine Art Ordnung zu schaffen: ich lege gleichartige Dinge zu Hauf zu Haufen. So sieht mein Zimmer im Regelfall auch aus, wenn ich aufgeräumt hab. Man kann sagen: Meine Welt – ein Stapelfeld. Einzig der Schreibtisch ist ein völliges Chaos, übersät mit Tabakkrümeln, dazwischen hübsch drapiert ein paar Fläschlein Nagellack, Globuli und Gelee Royal in Tüten, ein paar Bleistiftstummel, jede Menge nicht funktionierender Kugelschreiber. Tintenpatronen. Und wenn ich das ganze nicht mehr sehen mag, dann leg ich das Hamburger Abendblatt drüber – das ist schön groß. Für die ordentliche Abdeckung meines Arbeitsplatzes reicht die Morgenpost einfach nicht…Wie auch immer: Die Stapel- und Haufeneinrichtfunktion dieses Programmes ist mir noch nicht bedienlich, also muss ich mir was anderes einfallen lassen. Ich werde das jetzt so handhaben, daß ich, wenn ich ein Kapitel des Mimi-Buchs schreibe (Arbeitstitel: „Schlüpper im Fenster und Krümmel im Bett“) drei *** an den Anfang der jeweiligen Überschrift setze. Wenn Sie dann in der Suche ( hier anne Seite rechts) *** eingeben – dann schmeisst die Kiste ihnen alles zum Buch gehörige auf einen Rutsch und hintereinander raus – und sie können es im Zusammenhang lesen. Ganz „normale“ Tagebucheinträge markiere ich nicht und Kolumnen erkennen Sie daran, daß ich sie mit ### versehe. So müsste es auch erstmal ohne Kategeorien gehen.
Dann habe ich noch eine Bitte: Ich hörte, daß in Walsum kürzlich zwei Frauen einen Verlag gegründet haben sollen. Ich konnte darüber nichts herausfinden. Wenn jemand darüber etwas weiß: bitte melden. Eine Telefonnummer genügt mir schon…
Soweit der Morgengruss und die „Umweg-Regularien“. Ich verschwinde jetzt mal in die Maske. Danach knibble ich mir den restlichen Nagellack auch noch schön ordentlich ab – dann gehts weiter. Gleich. Jedenfalls dann, wenn mein Gast sich auch heute tagsüber noch einmal ausschläft und erst am Abend mal um den blog will…
Mimi – das Buch
Wenn ich mich nun daran mache, Ihnen vor dem Hintergrund der vergangenen Wahl die Geschichte der Mimi Müller zu erzählen, sollten sie sich vorher noch etwas vergegenwärtigen: Die Geschichte der Macht und der Mächtigen ist auch immer eine Geschichte der Kunst und der Künstler. Zu allen Zeiten schmückten sich die Mächtigen (zu denen ich auch die Kirchen und ihre Vertreter rechne) mit Kunst und deren Produzenten. Und zu allen Zeiten schmückten Künstler die Mächtigen, die Wohlhabenden – und damit die einzigen, die für künstlerisches Talent zu zahlen in der Lage waren – und ihnen ein Auskommen sicherten. Was die Kunst und mit ihr die Künstler, die sie schufen, so begehrenswert für mächtige Menschen macht, ist an dieser Stelle nicht so wichtig, das wird sich im Verlaufe der Geschichte für Sie erschließen, wichtig zu wissen aber ist, dass Künstler zu allen Zeiten dadurch vor dem immergleichen Problem standen: Sie mussten sich mit denen gut stellen, die Werke in Auftrag gaben, kauften, oder ihnen eine Stellung gaben, die es ihnen erlaubte, künstlerisch tätig zu sein. Das ist natürlich ein hartes Brot für einen Freigeist, und Freigeister, dass sind wir alle, die von der Kunst Ergriffenen, von einer der Musen Geküssten. Nichts ist uns mehr zuwider, als unsere Kunst nicht in völliger Freiheit des Geistes grenzenlos ausleben, ihr, und damit auch uns, nicht einen tiefen Ausdruck verleihen zu können. Keine Sehnsucht ist tiefer im Menschen verwurzelt, als die Sehnsucht nach der Kunst – ein magisches Land der unbegrenzten Möglichkeiten, der vollkommene Freiheit und des tief empfundenen Glückes. Der Ort der Wahrhaftigkeit. Xanadu. Und nun soll so ein solchermaßen von der Kunst ergriffener Freigeist Verkaufbares produzieren, soll Requiems schreiben, wenn ihm nach Hochzeitsmärschen ist, Komödien abliefern, wo sich vor seinen Augen doch Dramen abspielen, muß liefern, was gerade gefragt ist, muß er, der sich als Wolf versteht, sich entschließen, Hofhund zu werden, will er nicht seinen creativen Geist gänzlich aushauchen. Und zu allen Zeiten gab es die gleichen Möglichkeiten mit diesem Dilemma umzugehen: Entweder man war voll und ganz „zu Diensten“, und tröstete sich damit, daß „Dienst“ ja nicht „Knechtschaft“ heißt und produzierte am laufenden Band. Eine andere Möglichkeit war, man arrangierte sich, und revanchierte sich zuweilen ganz humorvoll (van Dyk hatte mal einem Kirchenfürsten auf einem Bild einen fetten Geldsack an die Kutte gepinselt. Diese süffisante Anspielung, die auch ein einfacher Mensch in jener Zeit verstanden hätte, blieb allerdings vom Auftraggeber nicht unbemerkt. Die pralle Börse jedenfalls wurde dann übermalt). Zuletzt bleibt noch nur noch die dritte Möglichkeit: Er pfeifft drauf. Er macht auch weiterhin, was er will und wann er will, er stellt seine Fähigkeiten nur in den Dienst der Kunst, die ihn ergriffen – und lehnt alles ab, was ihr und ihm nicht zuträglich ist. Niemandes Diener, keines Herren Knecht. Punktum: Sein Leben wird zu einem radikalen Experiment. Ein solches Leben ist natürlich nicht jedermanns Sache. So nimmt es nicht wunder, daß diese eigenwilligen Kunstauffassung- und Ausübung, die von jeher die „Brotlose“ genannt wird, immer deutlich weniger Zulauf hatte. Von vielen dieser Künstler vergangener Zeiten wissen wir nichts, vermutlich, weil sie verhungert sind, aber ein paar haben Hunger, Krankheit, Krieg oder Gefängnis doch überlebt und haben uns wunderbare Werke hinterlassen. Andere haben es zumindest posthum noch zu Ansehen gebracht. Und wieder andere, und das ist noch gar nicht so lange her, gaben ihr Leben für die Kunst. Von ihnen ist uns nicht viel geblieben. Ihre Bücher wurden verbrannt, ihre Bilder, ihre Skulpturen zerstört, ihre Musik, ihre Tänze verboten. Und dann sind da noch all die Bilder, die sie nicht malen konnten, die Bücher, die nicht mehr geschrieben wurden, die Stimmen, die verstummten. Ein furchtbarer Verlust… An sie, die Unbeugsamen, wollen wir uns erinnern, wenn wir die Künstler unserer Zeit betrachten.
Politik. Kunst. Kirche.
Spannungsfelder.
Mittendrin: Der Mensch.
Soweit der Prolog. Nun erzähle ich, Ellen Welschen, Ihnen mal die Geschichte der Mimi Müller. Die ganze Geschichte.